Aleksandr Lebedev
Aleksandr Lebedev, 1912 in Russland geboren, wurde im Juni 1941 als Reserveoffizier im Range eines Majors zur Roten Armee eingezogen und geriet im Oktober 1941 in deutsche Gefangenschaft. Lebedev wurde zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verbracht. Er konnte entfliehen und schlug sich bis nach Polen durch. In Polen wurde er verhaftet, Ende 1942 nach Auschwitz transportiert und als Häftling Nummer 88.349 registriert. Lebedev kam nach Auschwitz IAuschwitz I
Im November 1943 wurde der Lagerkomplex Auschwitz administrativ dreigeteilt: Das → Stammlager, das seit Mai 1940 existierende, erhielt die Bezeichnung Auschwitz I.
(StammlagerStammlager
→ Auschwitz I
) und wurde von der Abteilung Arbeitseinsatz verschiedenen ArbeitskommandosArbeitskommandos
Eine Häftlingsgruppe, die von der → SS zu einer bestimmten Tätigkeit eingesetzt wurde, nannte man „Arbeitskommando“. Seitens der SS war ein „Kommandoführer“ für den Arbeitseinsatz der Häftlinge verantwortlich. Von der SS eingesetzte → Kapos, bei großen Arbeitskommandos Oberkapos, hatten Aufsichtsfunktionen auszuüben. Nicht wenige Kapos erwiesen sich als willige Handlanger der SS und drangsalierten die Häftlinge.
zugeteilt. Im September 1944 wurde er in das KonzentrationslagerKonzentrationslager
Die → SS richtete unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung (Ende Januar 1933) Konzentrationslager für Menschen ein, die das Regime als politische Gegner betrachtete und deshalb verfolgte.
Die Hauptkonzentrationslager waren: Dachau (1933–1945), Sachsenhausen (1936–1945), Buchenwald (1937–1945), Flossenbürg (1938–1945), Mauthausen (1938–1945), Neuengamme (1940–1945), Ravensbrück (1939–1945).
In den besetzten Gebieten: Stutthof (bei Danzig) (1939–1945), Auschwitz (1940–1945), Groß-Rosen (bei Breslau) (1940–1945), Natzweiler-Struthof (Elsass) (1940–1945), Plaszow (bei Krakau) (1941–1945), Majdanek (bei Lublin (1941–1944).
Neuengamme (bei Hamburg) und darauf nach Buchenwald (bei Weimar) überstellt. Am 11.4.1945 erlebte er dort seine Befreiung. Lebedev schloss sich der Roten Armee an und war an der Eroberung Berlins beteiligt.
Zur Zeit seiner Vernehmung im Oktober 1964 war der Zeuge Aleksandr Lebedev 52 Jahre alt und arbeitete als Wissenschaftsjournalist in Moskau/Sowjetunion.
Hörbeispiel:
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Когда мы вошли в блок, то увидели, что около 60-ти заключённых стоят раздетые.
Dolmetscherin Kapkajew:
Als wir in den Block hineingingen, haben wir bemerkt, dass ungefähr 60 Häftlinge nackt dastehen.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И выстроились перед кабинетом.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und dass sie sich vor dem Zimmer aufgestellt haben.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Дверь была не закрыта, а задёрнута простынёй.
Dolmetscherin Kapkajew:
Die Tür war nicht zu, nur mit einem Vorhang verdeckt, mit einem Laken.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Санитары вводили узников по одному в эту комнату за простынёй.
Dolmetscherin Kapkajew:
Die Sanitäter haben einzeln die Häftlinge hinter diesen Vorhang geführt.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И там им делали какие-то уколы.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und man hat ihnen dort irgendwelche Spritzen verabreicht.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Мы думали, что это уколы, так сказать, лечебного порядка.
Dolmetscherin Kapkajew:
Wir haben gemeint, dass es Spritzen seien, medizinischer Art, also wegen einer Behandlung.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
А потом убедились, что рядом с кабинетом, где вёл приём Клер... это был Клер действительно. Он именовал себя профессором, почему-то.
Dolmetscherin Kapkajew:
Aber später haben wir festgestellt, dass neben dem Sprechzimmer von Klehr – er nannte sich aus irgendeinem Grund „Professor“ –
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Рядом была душевая.
Dolmetscherin Kapkajew:
Dass daneben sich ein Duschraum befand.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И когда случайно открыли [дверь] в эту душевую, там оказалось полно трупов.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und als wir diesen Duschraum zufällig öffneten, war der Raum voll von Leichen.
(95./96. Verhandlungstag, 1./2.10.1964)
Erläuterung:
Im HäftlingskrankenbauHäftlingskrankenbau
In den Konzentrationslagern wurden Blöcke bzw. Baracken eingerichtet, in denen kranke Häftlinge medizinisch versorgt werden sollten. → SS-Lagerärzte und → SS-Sanitätsdienstgrade waren die Vorgesetzten von → Häftlingsärzten und -pflegern, die sich mit den wenigen zur Verfügung stehenden medizinischen Mitteln um die erkrankten Häftlinge kümmerten. Der Aufenthalt im → Krankenbau war für die Lagerinsassen mit einem hohen Risiko verbunden. Wurden die Kranken innerhalb kurzer Zeit nicht wieder „arbeitsfähig“ und konnten ins Lager entlassen werden, fielen sie Selektionen zum Opfer. Die → SS-Ärzte, assistiert von den Sanitätsdienstgraden, wählten die Kranken aus und schickten sie in den Tod: Sie wurden vergast oder mit → Phenolinjektionen getötet.
Block 20 in Auschwitz IAuschwitz I
Im November 1943 wurde der Lagerkomplex Auschwitz administrativ dreigeteilt: Das → Stammlager, das seit Mai 1940 existierende, erhielt die Bezeichnung Auschwitz I.
(StammlagerStammlager
→ Auschwitz I
) tötete insbesondere der Angeklagte Josef Klehr, im Lager als sogenannter Sanitätsdienstgrad tätig, Häftlinge mit Phenolinjektionen ins Herz. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um kranke Häftlinge, die im KrankenbauKrankenbau
→ <Häftlingskrankenbau>
von SS-Ärzten oder den Sanitätsdienstgraden selektiertselektiert
Die Auswahl oder Aussonderung von Häftlingen und von nach Auschwitz verschleppten Juden auf der → Rampe wurde „Selektion“ genannt. Selektion innerhalb des Lagers konnte für die Häftlinge zweierlei bedeuten: Verbleib im Lager bzw. Überstellung in ein anderes Lager oder Ermordung: Tod in der Gaskammer, Tötung mit Injektionen, Erschießung. Für nach Auschwitz verschleppte Juden hieß Selektion auf der Ankunftsrampe: Verbringung ins Lager zur Sklavenarbeit oder sofortige Ermordung in den Gaskammern.
worden waren. Ermordet wurden auf diese Weise auch Häftlinge, gegen die ein Tötungsbefehl vorlag oder die auf Anordnung der LagergestapoLagergestapo
Die Organisationsstruktur der → Konzentrationslager war einheitlich. Die Verwaltung eines Konzentrationslagers war meist nach sechs Abteilungen gegliedert: Abteilung I: Kommandantur, Abteilung II. Politische Abteilung (Lagergestapo), Abteilung III: Schutzhaftlagerführung, Abteilung IV: Verwaltung, Abteilung V: Standortarzt, Abteilung VI: Fürsorge, Schulung, Truppenbetreuung.
Die Abt. II (Politische Abteilung) wurde auch „Lagergestapo“ genannt. Die Politische Abteilung verwaltete u.a. die Häftlingskarteien und die Personalunterlagen der Lagerinsassen, war für die Überwachung und somit für die „Sicherheit“ im Lager zuständig. Die Angehörigen der Politischen Abteilung bespitzelten die Häftlinge und versuchten, durch Terror (Erschießungen) jede Widerstandshandlung der Häftlinge zu unterbinden.
(Politische Abteilung) umgebracht wurden. Klehr injizierte den Häftlingen mit einer sogenannten Rekordspritze (lange Hohlnadel mit großem Glaszylinder und Metallkolben) PhenolPhenol
Phenol (Karbolsäure) ist ein Mittel, das ursprünglich zu Desinfektionszwecken gebraucht wurde. Die SS experimentierte bereits seit Mitte 1941 mit Mitteln, mit denen Häftlinge getötet werden konnten. Phenol, direkt ins Herz der Opfer gespritzt, erwies sich als sehr effektives Tötungsmittel.
(Karbolsäure) direkt ins Herz. Im Lagerjargon wurden die Tötungen „Abspritzen“ genannt. Die Häftlinge waren meist sofort tot. Aus Klehrs „Behandlungszimmer“ im Erdgeschoss von Block 20 mussten zwei Häftlinge die Toten in den „Waschraum“, der auf der anderen Seite des Flurs lag, schleppen. Dort wurden die Leichen niedergelegt bzw. aufgeschichtet und später vom Kommando Leichenträger zum Verbrennen ins KrematoriumKrematorium
Die → SS ließ in den Konzentrationslagern durch Privatfirmen Krematorien bauen, um verstorbene und getötete Lagerinsassen beseitigen zu können. In Auschwitz wurde Anfang August 1940 das erste Krematorium fertiggestellt. Es handelte sich um einen Ofen mit zwei Brennkammern. Im Februar 1941 und im Mai 1942 kamen zwei weitere Öfen hinzu. In den seit Mitte 1942 in Birkenau erbauten Krematorien gab es in den Krematorien II und III jeweils fünf Öfen mit je drei Brennkammer, in den Krematorien IV und V jeweils einen Ofen mit je acht Brennkammern.
I (Auschwitz IAuschwitz I
Im November 1943 wurde der Lagerkomplex Auschwitz administrativ dreigeteilt: Das → Stammlager, das seit Mai 1940 existierende, erhielt die Bezeichnung Auschwitz I.
/StammlagerStammlager
→ Auschwitz I
) gebracht.