Selektion

Den Vernichtungsaktionen in Auschwitz gingen »Selektionen« voraus. Dabei wurden die Häftlinge zur Tötung bestimmt. Die Selektionen wurden durchgeführt bei »Zugängen«, die neu nach Auschwitz kamen, bei Kranken aus dem Krankenrevier und bei anderen Häftlingen aus dem Lager. Es sollten nur diejenigen Häftlinge am Leben gelassen werden, die arbeiten konnten. Die SS-Ärzte führten in gewissen Zeitabständen in dem Häftlingskrankenbau und in den Wohnblocks Musterungen der Kranken sowie aller übrigen Häftlinge durch und entschieden ohne jede ärztliche Untersuchung nur nach einer äußerlichen Beurteilung über Leben und Tod der Menschen.

Seit Anfang 1942 kamen ununterbrochen Bahntransporte mit Juden aus allen Teilen Europas nach Auschwitz. Bei dem größten Teil der Neuankommenden bestand bei ihrem Eintreffen in Auschwitz völlige Unklarheit über die wahren Absichten der SS. Der Bahntransport endete auf einem Abstellgleis der zwischen dem Stammlager und dem Lager Birkenau verlaufenden Bahnlinie (Alte Rampe)[Foto]. Hier wurden die Transporte entladen und selektiert. Alte, Schwache, Kranke und Arbeitsunfähige verfielen automatisch der Selektion und wurden zur »Sonderbehandlung« (d.h. zum sofortigen Tod) bestimmt, ebenso alle Kinder bis zu 14 Jahren zusammen mit ihren Müttern oder mit denjenigen, die sich gerade ihrer angenommen und zu einem Kind gesellt hatten. Dann wurden die als arbeitsfähig ausgesuchten Häftlinge ins Lager gebracht und dort registriert, während die zur »Sonderbehandlung« bestimmten Menschen sofort zu den für die Ermordung eingerichteten Vernichtungsstätten (Kombination aus Gaskammer und Krematorium) gebracht wurden. Zur schnelleren Abwicklung wurden sie in der Regel auf LKWs verladen und zur Vernichtungsstätte gefahren. Wenn die Opfer dann zu den Gaskammern kamen, wurde ihnen erzählt, sie sollten hier desinfiziert werden.

Anfangs wurden die Arbeitsunfähigen in Auschwitz durch Phenoleinspritzungen getötet (»abgespritzt«). Das Phenol wurde zunächst intravenös verabreicht; später wurden die Einspritzungen direkt ins Herz, hauptsächlich von den Sanitätsdienstgraden (SDG), vorgenommen. Nachdem die Vergasungen eingeführt und rationalisiert wurden, blieb das »Abspritzen« auf die Tötung einzelner Häftlinge oder kleinerer Gruppen, bei denen sich die Vergasung nicht lohnte, beschränkt. Daneben war und blieb die willkürliche Tötung einzelner Häftlinge mit allen nur denkbaren Mitteln und mit geradezu unvorstellbaren Methoden an der Tagesordnung. Auschwitz war nicht alleine ein Konzentrationslager, sondern ein Lager zur Massenvernichtung.