Ella Lingens

Ella Lingens (geb. Reiner), 1908 in Wien geboren, wurde im Oktober 1942 wegen „Judenbegünstigung“ von der GestapoGestapo
→ <Geheime Staatspolizei>
verhaftet und nach viermonatiger Polizeihaft nach Auschwitz transportiert. Lingens hatte polnischen Juden zur Flucht in die Schweiz verhelfen wollen. Sie erhielt als „Reichsdeutsche“ und politischer Häftling die Nummer 36.088. Die Medizinerin Lingens wurde nahezu ausschließlich im FrauenkonzentrationslagerFrauenkonzentrationslager
Von März bis August 1942 gab es in den Blöcken 1 bis 10 des → Stammlagers ein Frauenkonzentrationslager, das bis Sommer 1942 dem Konzentrationslager Ravensbrück (nördlich von Berlin) unterstellt war. Im August 1942 wurden die weiblichen Häftlinge in den Lagerabschnitt BIa in Birkenau verlegt. BIa und ab Juli 1943 auch BIb bildeten das Frauenkonzentrationslager in Birkenau. Weibliche Häftlinge gab es auch in den Lagerabschnitten BIIb (→ Theresienstädter Familienlager) und BIIe (→ Zigeunerlager) sowie seit Sommer 1944 auch in BIIc (Durchgangslager für Jüdinnen aus Ungarn) und in BIII (→ „Mexiko“). Im Herbst 1944 wurden in Blöcken, die in der Nähe des Stammlagers (die sogenannte Lagererweiterung) erbaut worden waren, Häftlingsfrauen untergebracht.
in BirkenauBirkenau
Seit Oktober 1941 wurde das von der SS als „Kriegsgefangenenlager“ bezeichnete Lager Birkenau erbaut, das bis in das Jahr 1944 kontinuierlich erweitert wurde. Im Lager Birkenau wurden auch seit Mitte 1942 vier Krematorien mit Gaskammern errichtet, die die Orte der Menschenvernichtung waren.
(Lagerabschnitt BIa) als Häftlingsärztin im dortigen KrankenbauKrankenbau
→ <Häftlingskrankenbau>
eingesetzt. Anfang Dezember 1944 wurde sie in das KonzentrationslagerKonzentrationslager
Die → SS richtete unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung (Ende Januar 1933) Konzentrationslager für Menschen ein, die das Regime als politische Gegner betrachtete und deshalb verfolgte.
Die Hauptkonzentrationslager waren: Dachau (1933–1945), Sachsenhausen (1936–1945), Buchenwald (1937–1945), Flossenbürg (1938–1945), Mauthausen (1938–1945), Neuengamme (1940–1945), Ravensbrück (1939–1945).
In den besetzten Gebieten: Stutthof (bei Danzig) (1939–1945), Auschwitz (1940–1945), Groß-Rosen (bei Breslau) (1940–1945), Natzweiler-Struthof (Elsass) (1940–1945), Plaszow (bei Krakau) (1941–1945), Majdanek (bei Lublin (1941–1944).

Dachau (bei München) überstellt und dort Ende April 1945 von der amerikanischen Armee befreit.
Zur Zeit ihrer Vernehmung im März 1964 war die Zeugin Ella Lingens 55 Jahre alt und als Sachbearbeiterin im Österreichischen Bundesministerium für soziale Verwaltung in Wien tätig.

Buchpublikationen:
Ella Lingens: Eine Frau im KonzentrationslagerKonzentrationslager
Die → SS richtete unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung (Ende Januar 1933) Konzentrationslager für Menschen ein, die das Regime als politische Gegner betrachtete und deshalb verfolgte.
Die Hauptkonzentrationslager waren: Dachau (1933–1945), Sachsenhausen (1936–1945), Buchenwald (1937–1945), Flossenbürg (1938–1945), Mauthausen (1938–1945), Neuengamme (1940–1945), Ravensbrück (1939–1945).
In den besetzten Gebieten: Stutthof (bei Danzig) (1939–1945), Auschwitz (1940–1945), Groß-Rosen (bei Breslau) (1940–1945), Natzweiler-Struthof (Elsass) (1940–1945), Plaszow (bei Krakau) (1941–1945), Majdanek (bei Lublin (1941–1944).

. Wien, Frankfurt am Main, Zürich: Europa Verlag, 1966, 44 S.
Ella Lingens: Gefangene der Angst. Ein Leben im Zeichen des Widerstandes. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Peter Michael Lingens. Wien, Frankfurt am Main: Deuticke Verlagsgesellschaft, 2003, 335 S.

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Hörbeispiel:
Ich weiß aber, dass alle SS-Ärzte so ihren privaten Ehrgeiz hatten und irgendwie das Gefühl hatten, sie wollen aus dieser Dienstzeit auch einen Gewinn holen, und jeder hat sich was ausgedacht. Also Doktor König zum Beispiel hat Versuche machen wollen über die Frage der Blutsenkungsgeschwindigkeiten. Und Mengele hat also seine Versuche gemacht, zum Teil diese ethnologischen Beschreibungsgeschichten, die Zwillingsgeschichten. [...] Und ob jetzt die Leute, diese SS-Ärzte dazu gefragt haben, ob sie das tun dürfen oder nicht, weiß ich nicht. Ich nehme an, nein, weil überhaupt jeder dort machen konnte, was ihm einfiel.
(22. Verhandlungstag, 2.3.1964)

Erläuterung:
SS-Mediziner verrichteten in Auschwitz ihren Dienst als sogenannte Truppenärzte im SS-Krankenrevier, behandelten also SS-Personal. Die SS-Ärzte waren aber auch im Lager in den Krankenstationen (den sogenannten Krankenbauten) als SS-Lagerärzte eingesetzt. Dort behandelten sie aber nicht die kranken Häftlinge, dies war Aufgabe der als Ärzte und PflegerPfleger
Die → SS setzte in den → Häftlingskrankenbauten Häftlinge, die meistens von Beruf Mediziner waren, als Häftlingspfleger ein.
tätigen Lagerhäftlinge. Die SS-Lagerärzte hingegen entschieden darüber, wie lange sich ein Kranker im KrankenbauKrankenbau
→ <Häftlingskrankenbau>
aufhalten durfte. War der kranke Häftling in den Augen des SS-Arztes wieder „arbeitsfähig“, wurde er ins Lager entlassen. Bestand keine Aussicht auf Genesung, war der Häftling länger als zwei Wochen im KrankenbauKrankenbau
→ <Häftlingskrankenbau>
und war das Häftlingskrankenrevier überdies überfüllt, wurden die Kranken zur Vergasung selektiertselektiert
Die Auswahl oder Aussonderung von Häftlingen und von nach Auschwitz verschleppten Juden auf der → Rampe wurde „Selektion“ genannt. Selektion innerhalb des Lagers konnte für die Häftlinge zweierlei bedeuten: Verbleib im Lager bzw. Überstellung in ein anderes Lager oder Ermordung: Tod in der Gaskammer, Tötung mit Injektionen, Erschießung. Für nach Auschwitz verschleppte Juden hieß Selektion auf der Ankunftsrampe: Verbringung ins Lager zur Sklavenarbeit oder sofortige Ermordung in den Gaskammern.
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SS-Ärzte führten auch regelmäßig SelektionenSelektionen
Die Auswahl oder Aussonderung von Häftlingen und von nach Auschwitz verschleppten Juden auf der → Rampe wurde „Selektion“ genannt. Selektion innerhalb des Lagers konnte für die Häftlinge zweierlei bedeuten: Verbleib im Lager bzw. Überstellung in ein anderes Lager oder Ermordung: Tod in der Gaskammer, Tötung mit Injektionen, Erschießung. Für nach Auschwitz verschleppte Juden hieß Selektion auf der Ankunftsrampe: Verbringung ins Lager zur Sklavenarbeit oder sofortige Ermordung in den Gaskammern.
bei der Ankunft der Transporte („Rampendienst“) und bei Appellen im Lager durch. „Wissenschaftlich“ profilieren konnten sich die SS-Ärzte durch pseudomedizinische Experimente, die in großer Zahl in Auschwitz an Häftlingen durchgeführt wurden. So wurden unter anderem Versuche zur Massensterilisation von Frauen gemacht. Die Zeugin Ella Lingens hat während ihrer Tätigkeit als Häftlingsärztin im Frauenlager in BirkenauBirkenau
Seit Oktober 1941 wurde das von der SS als „Kriegsgefangenenlager“ bezeichnete Lager Birkenau erbaut, das bis in das Jahr 1944 kontinuierlich erweitert wurde. Im Lager Birkenau wurden auch seit Mitte 1942 vier Krematorien mit Gaskammern errichtet, die die Orte der Menschenvernichtung waren.
neben den genannten SS-Ärzten Dr. Josef Mengele und Dr. Hans Wilhelm König auch die meist verbrecherische Arbeit vieler anderer SS-Ärzte beobachten können. Im Birkenauer Frauenlager begegnete sie einem Mediziner, mit dem sie 1938 an der Universität Marburg/Lahn zusammen studiert hatte: Dr. Werner Rohde. Er nahm sich seiner vormaligen Kommilitonin an, die Häftlingsfrau Lingens war für den SS-ArztSS-Arzt
Im → SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA) in Oranienburg (nahe Berlin), das nach fünf Amtsgruppen gegliedert war, gab es in der Amtsgruppe D: Konzentrationslager das Amt D III: Sanitätswesen und Lagerhygiene. Dem von SS-Standartenführer Dr. Enno Lolling geleiteten Amt unterstanden die „medizinischen Abteilungen“ der Konzentrationslager. Die in den KZs tätigen → SS-Ärzte wurden zur Betreuung des SS-Personals (SS-Truppenärzte) und zur (vorgeblichen) Betreuung der Konzentrationslagerhäftlinge (SS-Lagerärzte) eingesetzt. Um die Gesundheitsversorgung der Häftlinge und die Hygiene in den Konzentrationslagern kümmerten sich die SS-Ärzte meist nicht. Beteiligt waren sie an der Vernichtung der Häftlinge (Selektionen) und an Menschenversuchen (Experimenten).
eine „Art Protektionskind“ (Lingens).