Otto Wolken

Wolken ap 054

Otto Wolken, 1903 in Wien geboren, wurde bereits im März 1938 („Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich) verhaftet und am 9. Juli 1943 nach Auschwitz deportiert (Häftlingsnummer 128.828). Den Mediziner Wolken setzte die SS als Häftlingsarzt im Quarantänelager in Birkenau (BIIa) ein. Als das Lager Auschwitz aufgelöst wurde, blieb Wolken mit den kranken Häftlingen im Lager zurück und wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Wolken machte bereits im Lager Aufzeichnungen und verfasste nach seiner Befreiung für die sowjetisch-polnische Kommission, die die Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz untersuchte, verschiedene Berichte.

Zur Zeit seiner Aussage im Februar 1964 war der Zeuge Otto Wolken 60 Jahre alt und lebte als Arzt in Wien.

Hörbeispiel:

Die Ungarntransporte, die plötzlich eine Umwälzung im ganzen Betrieb mit sich brachten. Denn plötzlich funktionierte das Reisebüro Eichmann wieder, und es kamen Tag für Tag vier, fünf, sechs, manchen Tags sogar zehn Züge nach Auschwitz. Auf der Rampe war großer Betrieb. Es wurden Tausende und Abertausende Menschen täglich vergast. Die Krematorien reichten nicht mehr aus, das anfallende Leichenmaterial aufzuarbeiten. Es wurden riesige Gräben gegraben, und zusätzlich zu der Arbeit im Krematorium wurden noch Tausende Leichen in offener Grube verbrannt. Tag und Nacht loderte das Feuer, nachts war der Himmel weithin blutrot gefärbt. Und wenn der Wind schlecht stand, hatten wir im Lager den Gestank des verbrannten Fleisches.
(20. Verhandlungstag, 27.2.1964)

Erläuterung:

Von Mitte Mai bis Mitte Juli 1944, innerhalb von acht Wochen, wurden nach Berichten, die die deutsche Gesandtschaft in Budapest an das Auswärtige Amt in Berlin sandte, circa 438.000 Juden mit 147 Zügen aus Ungarn nach Auschwitz deportiert. Ein von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, Leiter des sogenannten Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) der SS, geleitetes Sondereinsatzkommando organisierte zusammen mit ungarischen Regierungsstellen und der Gendarmerie des Landes die Deportationen. Mehr als 300.000 Juden wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Rund 100.000 nach Auschwitz Verschleppte kamen ins Lager. Tausende Juden, meist junge Frauen, wurden nach wenigen Tagen und Wochen in Lager im Innern des Deutschen Reiches zur Zwangsarbeit transportiert. Um die Todeszüge besser „abwickeln“ zu können, baute die Lagerleitung ein Anschlussgleis vom Auschwitzer Güterbahnhof, dem Standort der „Alten Rampe“, direkt in das Vernichtungslager Birkenau. Die „Neue Rampe“ wurde erst im Mai 1944 fertiggestellt. Bei der großen Zahl der Deportierten reichte die Verbrennungskapazität der vier Krematorien von Birkenau nicht mehr aus. Die SS ließ von Häftlingen Gruben ausheben, in denen die ermordeten Juden unter freiem Himmel verbrannt wurden. Am 8. Juli 1944 verfügte das Staatsoberhaupt von Ungarn, Reichsverweser Miklós Horthy, auf vielfältigen Druck der Kriegsgegner des Deutschen Reiches, einen Stopp der Deportationen.

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