Filip Müller

Mueller GS 090

Filip Müller, 1922 in Sered/Tschechoslowakei geboren, wurde im April 1942 nach Auschwitz deportiert. Im März 1939, nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland, war die Slowakische Republik, ein Vasallenstaat des Deutschen Reiches, proklamiert worden. Ein von den Deutschen eingesetzte Regierung unter Präsident Jozef Tiso führte antijüdische Maßnahmen durch, verfügte unter anderem per Verfassungsgesetz vom 15. März 1942 die Aussiedlung von Juden. Von März bis Juli 1942 sowie von September bis Oktober 1942 wurden nahezu 60.000 Juden aus der Slowakei deportiert, 19 Transporte gingen nach Auschwitz. Müller erhielt in Auschwitz die Nummer 29.236 und wurde im Mai 1942 in das sogenannte „Sonderkommando“ strafversetzt. Aufgabe des „Sonderkommandos“ war es, die Toten aus der Gaskammer zu den Verbrennungsöfen zu bringen und einzuäschern. Im Mai 1942 gab es in Auschwitz I (Stammlager) ein Krematorium mit drei Verbrennungsöfen, die jeweils zwei Brennkammern hatten. Seit Anfang 1942 existierten in der Nähe des Lagers Birkenau zwei Vergasungsanlagen. Es handelte sich um umgebaute Bauernhäuser, von der Lager-SS „Bunker Nr. 1“ („Rotes Haus“) und „Bunker Nr. 2“ („Weißes Haus“) genannt. Als in der Zeit von März bis Juni 1943 die vier Krematorien in Birkenau zur Ermordung der europäischen Juden fertiggestellt waren, kam Müller als Mitglied des „Sonderkommandos“ nach Birkenau.

Zur Zeit seiner Vernehmung im Oktober 1964 war der Zeuge Filip Müller 42 Jahre alt und lebte als Beamter in Prag/Tschechoslowakei.

Buchpublikation:

  • Filip Müller: Sonderbehandlung. Drei Jahre in den Krematorien und Gaskammern von Auschwitz. Deutsche Bearbeitung von Helmut Freitag. München: Steinhausen Verlag, 1979, 287 S.

Hörbeispiel:

Die Frau ... sie kniet. Und sie sagt, weil sie weiß nicht, was Stark ist: „Herr Kommandant, ich bitte Sie, lassen Sie mich leben. Ich habe doch nicht gemacht.“ Und: „Los, Sara, stehen! Sara stehen! Sara stehen! Los, musst du stehen!“ Er spricht ja so. So spricht er. Schießt er erst mal hier oder hier, dann wieder in die Füße. Die fünfe, sagen wir, müssen zuschauen, die anderen. Na, das ist ... Na, das kann man nicht schildern. Und da erschießt er sie alle. [...] Ich sage so: mein ganzes Leben, ich sehe mein ganzes Leben Stark. Mein ganzes Leben, wo ich geh – ich sehe ihn. Furchtbar.
(97. Verhandlungstag, 5.10.1964)

Erläuterung:

Der Zeuge Müller schildert ein Ereignis, das sich im Hof von Krematorium I (Auschwitz I/Stammlager) im Frühsommer 1942 abgespielt hat. Der Angeklagte Hans Stark war seit Juni 1941 im Referat Aufnahme der Politischen Abteilung (Häftlings-Personalkartei) tätig und hatte unter anderem die Aufgabe, eingetroffene Häftlinge zu registrieren. Nach eigenen, in Vernehmungen gemachten Angaben wirkte Stark seit Oktober 1941 an Vergasungen im „Alten Krematorium“ des Stammlagers mit. Stark bezeichnet in der geschilderten Situation das jüdische Opfer mit dem Zwangsnamen Sara. Durch Gesetz vom August 1938 hatten die Nationalsozialisten alle jüdischen Frauen im Deutschen Reich gezwungen, den Namen „Sara“ als Zusatz zum Vornamen zu tragen. Stark führte oft ein Gewehr mit sich und hatte nach dem Zeugnis von Überlebenden Gefallen daran, Angst und Schrecken unter den Deportierten zu verbreiten, die Opfer zu quälen und eigenhändige Tötungen vorzunehmen.

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