Aleksandr Lebedev

Lebedjev GS 081

Aleksandr Lebedev, 1912 in Russland geboren, wurde im Juni 1941 als Reserveoffizier im Range eines Majors zur Roten Armee eingezogen und geriet im Oktober 1941 in deutsche Gefangenschaft. Lebedev wurde zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verbracht. Er konnte entfliehen und schlug sich bis nach Polen durch. In Polen wurde er verhaftet, Ende 1942 nach Auschwitz transportiert und als Häftling Nummer 88.349 registriert. Lebedev kam nach Auschwitz I (Stammlager) und wurde von der Abteilung Arbeitseinsatz verschiedenen Arbeitskommandos zugeteilt. Im September 1944 wurde er in das Konzentrationslager Neuengamme (bei Hamburg) und darauf nach Buchenwald (bei Weimar) überstellt. Am 11.4.1945 erlebte er dort seine Befreiung. Lebedev schloss sich der Roten Armee an und war an der Eroberung Berlins beteiligt.
Zur Zeit seiner Vernehmung im Oktober 1964 war der Zeuge Aleksandr Lebedev 52 Jahre alt und arbeitete als Wissenschaftsjournalist in Moskau/Sowjetunion.

Hörbeispiel:

Zeuge Aleksandr Lebedev:
Когда мы вошли в блок, то увидели, что около 60-ти заключённых стоят раздетые.
Dolmetscherin Kapkajew:
Als wir in den Block hineingingen, haben wir bemerkt, dass ungefähr 60 Häftlinge nackt dastehen.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И выстроились перед кабинетом.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und dass sie sich vor dem Zimmer aufgestellt haben.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Дверь была не закрыта, а задёрнута простынёй.
Dolmetscherin Kapkajew:
Die Tür war nicht zu, nur mit einem Vorhang verdeckt, mit einem Laken.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Санитары вводили узников по одному в эту комнату за простынёй.
Dolmetscherin Kapkajew:
Die Sanitäter haben einzeln die Häftlinge hinter diesen Vorhang geführt.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И там им делали какие-то уколы.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und man hat ihnen dort irgendwelche Spritzen verabreicht.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Мы думали, что это уколы, так сказать, лечебного порядка.
Dolmetscherin Kapkajew:
Wir haben gemeint, dass es Spritzen seien, medizinischer Art, also wegen einer Behandlung.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
А потом убедились, что рядом с кабинетом, где вёл приём Клер... это был Клер действительно. Он именовал себя профессором, почему-то.
Dolmetscherin Kapkajew:
Aber später haben wir festgestellt, dass neben dem Sprechzimmer von Klehr – er nannte sich aus irgendeinem Grund „Professor“ –
Zeuge Aleksandr Lebedev:
Рядом была душевая.
Dolmetscherin Kapkajew:
Dass daneben sich ein Duschraum befand.
Zeuge Aleksandr Lebedev:
И когда случайно открыли [дверь] в эту душевую, там оказалось полно трупов.
Dolmetscherin Kapkajew:
Und als wir diesen Duschraum zufällig öffneten, war der Raum voll von Leichen.
(95./96. Verhandlungstag, 1./2.10.1964)

Erläuterung:

Im Häftlingskrankenbau Block 20 in Auschwitz I (Stammlager) tötete insbesondere der Angeklagte Josef Klehr, im Lager als sogenannter Sanitätsdienstgrad tätig, Häftlinge mit Phenolinjektionen ins Herz. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um kranke Häftlinge, die im Krankenbau von SS-Ärzten oder den Sanitätsdienstgraden selektiert worden waren. Ermordet wurden auf diese Weise auch Häftlinge, gegen die ein Tötungsbefehl vorlag oder die auf Anordnung der Lagergestapo (Politische Abteilung) umgebracht wurden. Klehr injizierte den Häftlingen mit einer sogenannten Rekordspritze (lange Hohlnadel mit großem Glaszylinder und Metallkolben) Phenol (Karbolsäure) direkt ins Herz. Im Lagerjargon wurden die Tötungen „Abspritzen“ genannt. Die Häftlinge waren meist sofort tot. Aus Klehrs „Behandlungszimmer“ im Erdgeschoss von Block 20 mussten zwei Häftlinge die Toten in den „Waschraum“, der auf der anderen Seite des Flurs lag, schleppen. Dort wurden die Leichen niedergelegt bzw. aufgeschichtet und später vom Kommando Leichenträger zum Verbrennen ins Krematorium I (Auschwitz I/Stammlager) gebracht.

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