Otto Dov Kulka

Kulka GS 077

Otto Dov Kulka, geboren 1933 in der Tschechoslowakei, wurde im Herbst 1942 zusammen mit seiner Mutter in das von den Nazis „Altersghetto“ genannte Lager Theresienstadt (circa 50 Kilometer nordwestlich von Prag) verschleppt, und von dort Anfang September 1943 nach Auschwitz. Die Lagerleitung errichtete im September 1943 in Birkenau (Lagerabschnitt BIIb) das sogenannte Theresienstädter Familienlager, in dem die Häftlinge nicht nach Geschlechtern getrennt untergebracht waren. Das Familienlager hatte die SS in der Absicht gegründet, die verfolgten Juden und die Weltöffentlichkeit, insbesondere auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, über das Schicksal der Juden zu täuschen. Die Lagerinsassen waren gezwungen, Briefe mit beschönigenden und unwahren Angaben über die Verhältnisse in Auschwitz zu schreiben. Der Eindruck sollte entstehen, Auschwitz sei ein mustergültiges Arbeitslager für Juden, die kursierenden Gerüchte über ihre Vernichtung seien falsch. Im März 1944 wurde das Familienlager nach sechsmonatiger „Quarantäne“ „liquidiert“, das heißt die verbliebenen Insassen wurden in den Gaskammern ermordet. Kulka, Häftling mit der Nummer 148.975, überlebte die Vernichtung der sogenannten September-Transporte des Jahres 1943 durch Zufall blieb im Lager. Neue Transporte aus Theresienstadt kamen in das Familienlager, das Anfang Juli 1944 zum zweiten Mal in der Form aufgelöst wurde, dass nahezu alle Lagerinsassen vergast wurden.

Zur Zeit seiner Vernehmung im Juli 1964 war der Zeuge Otto Dov Kulka 31 Jahre alt und als Historiker an der Jerusalemer Universität/Israel tätig.

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Hörbeispiel:

Es wurden wieder Vorbereitungen – mit Hilfe der Häftlinge aus anderen Lagern [getroffen], nicht ohne Widerstand in den Tod zu gehen. Es wurde primitiver Sprengstoff oder Brandstoff dort geliefert, und das Zentrum war wieder im Kinderblock, und darüber wussten wir ganz klar. Und was ich hier bezeichnen kann: Keiner hatte Angst, dass ihn jemand aus diesem Lager verrät. Es wurde ganz öffentlich über diese Sache verhandelt und gesprochen.
(71. Verhandlungstag, 30.7.1964)

Erläuterung:

Gewarnt durch die erste Liquidation des Theresienstädter Familienlagers (Birkenau, BIIb) Anfang März 1944, bereiteten sich die Häftlinge des Lagers darauf vor, gegen die befürchtete zweite Liquidation Widerstand zu leisten. Die SS führte am 2. Juli 1944 eine Selektion im Familienlager durch und wählte circa 3.000 junge, gesunde und arbeitsfähige Männer, Frauen und Jugendliche aus, die nach wenigen Tagen tatsächlich in andere Lager überstellt wurden. Die verbliebenen rund 7.000 Insassen des Familienlagers, von der SS über ihr Schicksal im Unklaren gelassen und getäuscht, wurden am 10. und 11. Juli 1944, ohne dass sie nennenswerten Widerstand hätten leisten können, vergast.

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