Rudolf Kauer

Kauer GS 068

Rudolf Kauer, 1902 in Tetschen (heute Tschechien) geboren, studierte an der Technischen Hochschule in Prag Hoch- und Tiefbau. Im Oktober 1933 wegen angeblichen Hoch- und Landesverrats verhaftet und 1935 zu einer Zuchthausstrafe verurteilt, kam Kauer nach seiner Strafverbüßung nicht frei. Die Gestapo nahm ihn in „Schutzhaft“ und verbrachte den politischen Häftling ins Konzentrationslager. Im Mai 1941 wurde Kauer vom KZ Neuengamme (bei Hamburg) nach Auschwitz transportiert, als Nummer 15.592 registriert und im Kommando „Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz“ eingesetzt. Die Zentralbauleitung war für Planung und Bau aller Gebäude im sogenannten „Interessengebiet des KL Auschwitz“ zuständig, auch für die Errichtung der vier Krematorien im Vernichtungslager Birkenau. Für das „Fluchtdezernat“ der Politischen Abteilung zeichnete Kauer auch „Tatortskizzen“. Die Politische Abteilung hatte wirkliche bzw. vorgebliche Fluchten von Häftlingen zu untersuchen, einen Bericht zu verfassen und an das Reichssicherheitshauptamt der SS in Berlin zu schicken. Kauer wurde Mitte September 1944 aus Auschwitz nach Leitmeritz, einem Nebenlager des KZ Flossenbürg (Oberpfalz, östlich von Weiden), überstellt. Dort gelang ihm kurz vor Kriegsende die Flucht.

Zur Zeit seiner Aussage im Juli 1964 war der Zeuge Rudolf Kauer 62 Jahre alt und arbeitete als Bauingenieur in Salach/Baden-Württemberg.

Hörbeispiel:

Die ersten Transporte wurden ja total vergast. Das waren diese vier Transporte von Sosnowitz, und dann kam auf einmal eine Anordnung von Obergruppenführer Pohl, da war ich damals sogar noch auf der Bauleitung. Und dann wurde auf der Bauleitung in dieser Beziehung darüber beraten, dass man aus diesen Transporten jeweils noch soundso viele herausnimmt, um Arbeitskräfte zu bekommen. Dann wurde das erweitert, auch für die Rüstung und für andere Arbeiten wie für die Buna-Werke, dass jeweils eben aus diesen Transporten soundso viele herausgenommen werden. Die Transporte waren von Grund auf, von allem Anfang an zur Vernichtung bestimmt. Es arbeiteten zwei Instanzen, eine verlangte hohe Totenzahlen, die andere verlangte hohe Zahlen von Arbeitern. Man konnte das nie richtig vereinen.
(62. Verhandlungstag, 6.7.1964)

Erläuterung:

Im August 1943 wurden die 40 Kilometer nördlich von Auschwitz gelegenen Ghettos der oberschlesischen Städte Sosnowitz (Sosnowice) und Bendsburg (Bedzin) aufgelöst und mehr als 30.000 Ghettoinsassen nach Auschwitz deportiert. Infolge des Arbeitskräftemangels und der schlechten Kriegslage ordnete der Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes in Oranienburg, SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, an, „arbeitsfähige“ Juden bei der Selektion auszuwählen und zur Zwangsarbeit einzusetzen. In SS-eigenen Betrieben in den Konzentrationslagern und in Rüstungsfabriken sollten die Sklavenarbeiter zur Kriegsproduktion beitragen. Das von dem Zeugen Rudolf Kauer erwähnte „Buna-Werk“ wurde seit April 1941 in der Nähe von Auschwitz von dem Chemiekonzern I.G. Farbenindustrie AG errichtet. Der Zeuge weist in seiner Aussage darauf hin, dass die beiden SS-Hauptämter, das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das den Mord an den europäischen Juden plante, organisierte und durchführte, und das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA), zum Teil unterschiedliche Ziele verfolgten. Das RSHA befahl die sofortige Vernichtung der deportierten Juden, das WVHA wollte die Lager „ökonomisieren“, das heißt die Arbeitskraft der Häftlinge im Interesse der Kriegswirtschaft bis zu ihrer „Vernichtung durch Arbeit“ ausbeuten.

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