Mauritius Berner

Berner Foto

Mauritius Berner, geboren 1902 in Micãlaca/Rumänien, lebte bis Ende Mai 1944 mit Frau und drei Töchtern in Tîrgu Mures/Marosvásárhely, das damals zu Ungarn gehörte. Der Arzt Berner und seine Familie wurden im Rahmen der vom Sondereinsatzkommando Eichmann durchgeführten „Ungarn-Aktion“ (von Mitte Mai bis Anfang Juli 1944) nach Auschwitz deportiert und auf der „Neuen Rampe“ von Birkenau von dem SS-Arzt Josef Mengele und dem SS-Apotheker Victor Capesius selektiert. Berner kannte Capesius, der in den 1930er-Jahren Vertreter der zum I.G. Farben-Konzern gehörenden Farbenfabriken Bayer AG/Leverkusen gewesen war und die Medikamente seiner Firma bei den Ärzten und Apothekern angeboten hatte. Berner war bis Ende Oktober 1944 in Auschwitz, wurde in die KZs Sachsenhausen (bei Berlin) und Dachau (bei München) und das Außenlager Kaufering (bei Landsberg) überstellt und Ende April 1945 von der amerikanischen Armee in Dachau befreit.

Zur Zeit der Verhandlung im August 1964 war der Zeuge Mauritius Berner 62 Jahre alt und lebte als Arzt in Jerusalem/Israel.

Hörbeispiel:

Und der Strom der Menschen ging vorwärts. Und ich sagte meiner Frau – ich war mit Frau und drei Kindern, drei Töchterchen: „Tut nichts. Hauptsache, dass wir fünf zusammen sind.“ Und: „Wir werden schon sehen, wie wir weiterkommen.“ Kaum sagte ich das, tritt schon ein anderer Soldat zwischen uns und sagt: „Männer nach rechts, Frauen nach links!“ und hat uns geteilt voneinander. Ich habe nicht einmal so viel Zeit gehabt, meine Frau umzuarmen. Sie hat mir nachgeschrien: „Komm, küsse uns!“ Vielleicht aus irgendeinem Fraueninstinkt hat sie eher gefühlt, was für eine Gefahr auf uns droht. Ich bin durch den Kordon wieder zu ihnen gelaufen und habe meine Frau geküsst und meine drei Kinder, und schon wieder hat man mich auf die andere Seite geschoben, und wir sind weiter vorangegangen, parallel zwar, aber getrennt, zwischen den zwei Geleisen, zwischen den zwei Zügen, parallel, aber getrennt. Dann, nicht wahr, die Menge hat mich auch weitergestoßen, habe ich sie vor Augen verloren, meine Familie.
(78. Verhandlungstag, 17.8.1964)

Erläuterung:

Auf der Rampe von Birkenau („Neue Rampe“) wurden die deportierten Juden von SS-Angehörigen oder von den Häftlingen des sogenannten Aufräumungskommandos zunächst nach Männern und Frauen (mit Kindern) getrennt. Die durch die Vorselektion entstandenen beiden Kolonnen wurden dann von SS-Ärzten nach „Arbeitsfähigen“ und „Nichtarbeitsfähigen“ getrennt. Frauen mit Kindern, Alte und Kranke wurden zur Ermordung in den Gaskammern ausgewählt, junge Männer und Frauen, in den Augen der SS-Mediziner zur Zwangsarbeit imstande, zur Aufnahme ins Lager. Die Ehefrau des Zeugen Mauritius Berner und seine drei kleinen Töchter, darunter die Zwillinge Helga und Nora, wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.

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