Gisella Böhm

Gisella Böhm, 1897 in Sighişoara/Schäßburg in Rumänien geboren, wurde im April 1944 im Rahmen der „Ungarn-Aktion“ mit ihrer Familie unweit ihres Wohnorts Odorhei/Oderhellen, in Tîrgu Mureş, in ein provisorisches Ghetto verbracht, das als Sammelstelle vor der DeportationDeportation
Ab Oktober 1941 deportierten Stellen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Juden aus dem Deutschen Reich „nach dem Osten“. Seit Frühjahr 1942 erfolgten Deportationen aus den von der Wehrmacht besetzten Ländern und aus Staaten, die mit den Nationalsozialisten zusammen arbeiteten (Slowakei, Italien, Kroatien, Ungarn). In der Sprache der Täter hießen die Deportationen in den Tod „Evakuierung“ oder „Aussiedlung“ von Juden „nach dem Osten“.
nach Auschwitz diente. Ende Mai 1944 kam Gisella Böhm zusammen mit ihrer Tochter Ella, die ebenfalls als Zeugin im Auschwitz-Prozess aussagte, auf Transport, ihr Ehemann folgte in einem späteren Todeszug. Die Zeugin wurde von einer SS-Kommission, der der Angeklagte Dr. Victor Capesius und die SS-Ärzte Dr. Josef Mengele und Dr. Fritz Klein angehörten, selektiertselektiert
Die Auswahl oder Aussonderung von Häftlingen und von nach Auschwitz verschleppten Juden auf der → Rampe wurde „Selektion“ genannt. Selektion innerhalb des Lagers konnte für die Häftlinge zweierlei bedeuten: Verbleib im Lager bzw. Überstellung in ein anderes Lager oder Ermordung: Tod in der Gaskammer, Tötung mit Injektionen, Erschießung. Für nach Auschwitz verschleppte Juden hieß Selektion auf der Ankunftsrampe: Verbringung ins Lager zur Sklavenarbeit oder sofortige Ermordung in den Gaskammern.
und ins Lager eingewiesen und erhielt die Nummer A-25.382. Böhm kannte Capesius aus ihrer Heimat. Capesius war in den 1930/40er Jahren Vertreter der Firma Farbenwerke Bayer AG/Leverkusen und hatte den Ehemann von Gisella Böhm, der Stadtarzt in Odorhei war, geschäftlich aufgesucht. Nach der „AufnahmeAufnahme
Die gesamte Prozedur der Einweisung und Registrierung eines Häftlings in das Lager wurde „Aufnahme“ genannt. In der → Politischen Abteilung gab es ein Referat Aufnahme, in dem die Häftlingsakten geführt wurden.
“ kam Böhm in den Lagerabschnitt BIIc und wurde als Häftlingsärztin eingesetzt, später kam sie auf Befehl von Mengele in den Ambulanzblock im StammlagerStammlager
→ Auschwitz I
(Auschwitz IAuschwitz I
Im November 1943 wurde der Lagerkomplex Auschwitz administrativ dreigeteilt: Das → Stammlager, das seit Mai 1940 existierende, erhielt die Bezeichnung Auschwitz I.
). Nach der Auflösung des Lagers Auschwitz und dem TodesmarschTodesmarsch
Als im Januar 1945 die Rote Armee sich Auschwitz näherte, beschloss die → SS, das Lager zu „evakuieren“, das heißt, die Häftlinge in streng bewachten Marschkolonnen nach Westen zu treiben. Bei eisiger Kälte, im Schnee, schlecht bekleidet und meist ohne Proviant marschierten die Häftlinge kilometerweit über die Landstraßen. Die Strapazen, die Kälte verursachten, dass viele Häftlinge vor Erschöpfung zusammenbrachen und von der → SS erschossen wurden. Tausende kamen auf diese Weise ums Leben.
nach Gleiwitz kam Böhm in das KonzentrationslagerKonzentrationslager
Die → SS richtete unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung (Ende Januar 1933) Konzentrationslager für Menschen ein, die das Regime als politische Gegner betrachtete und deshalb verfolgte.
Die Hauptkonzentrationslager waren: Dachau (1933–1945), Sachsenhausen (1936–1945), Buchenwald (1937–1945), Flossenbürg (1938–1945), Mauthausen (1938–1945), Neuengamme (1940–1945), Ravensbrück (1939–1945).
In den besetzten Gebieten: Stutthof (bei Danzig) (1939–1945), Auschwitz (1940–1945), Groß-Rosen (bei Breslau) (1940–1945), Natzweiler-Struthof (Elsass) (1940–1945), Plaszow (bei Krakau) (1941–1945), Majdanek (bei Lublin (1941–1944).

Ravensbrück und in die Nebenlager Malchow und Taucha. In der Nähe von Leipzig wurde sie befreit und kehrte Mitte 1945 in ihre Heimat zurück.
Zur Zeit ihrer Vernehmung im November 1964 war die Zeugin Gisella Böhm 67 Jahre alt und lebte als Kinderärztin in Odorhei/Rumänien.

You do not have the Flash plugin installed, or your browser does not support Javascript. Both are required to view this Flash movie.

Hörbeispiel:
Uns ordnete man in Reihen, die nach rechts gehenden Frauen, wir wurden in ein Bad geführt und gänzlich enthaart. Wir wurden dann geschoren. Alle behaarten Hautteile wurden vom Haar entblößt, mit Rasiermaschinen und ganz unglatt. Es waren sehr entstellte Figuren, diese geschorenen Frauen, und sehr unglücklich. Ich tröstete sie: „Es geht zu einer Arbeit, wir werden desinfiziert, wir werden Kleider bekommen.“
(113. Verhandlungstag, 19.11.1964)

Erläuterung:
Im Sommer 1944 wurden auf der RampeRampe
Der Ort entlang von Bahngleisen, an dem die nach Auschwitz verschleppten Juden selektiert wurden, wird „Rampe“ genannt. In Auschwitz gab es für die Transporte des → Reichssicherheitshauptamts (RSHA) mit Juden aus ganz Europa zwei Selektionsrampen: die → „Alte Rampe“ und die → „Neue Rampe“.
von BirkenauBirkenau
Seit Oktober 1941 wurde das von der SS als „Kriegsgefangenenlager“ bezeichnete Lager Birkenau erbaut, das bis in das Jahr 1944 kontinuierlich erweitert wurde. Im Lager Birkenau wurden auch seit Mitte 1942 vier Krematorien mit Gaskammern errichtet, die die Orte der Menschenvernichtung waren.
die SelektionenSelektionen
Die Auswahl oder Aussonderung von Häftlingen und von nach Auschwitz verschleppten Juden auf der → Rampe wurde „Selektion“ genannt. Selektion innerhalb des Lagers konnte für die Häftlinge zweierlei bedeuten: Verbleib im Lager bzw. Überstellung in ein anderes Lager oder Ermordung: Tod in der Gaskammer, Tötung mit Injektionen, Erschießung. Für nach Auschwitz verschleppte Juden hieß Selektion auf der Ankunftsrampe: Verbringung ins Lager zur Sklavenarbeit oder sofortige Ermordung in den Gaskammern.
durch SS-Ärzte durchgeführt. Hatten sich nach dem Aussteigen aus den Güterwaggons auf Befehl der SS zwei Kolonnen, bestehend aus Männern bzw. aus Frauen mit Kindern, gebildet, wählten die SS-Mediziner aus den beiden Kolonnen die „arbeitsfähigen“ Männer und Frauen aus. Die für das Lager Selektierten wurden zur „AufnahmeAufnahme
Die gesamte Prozedur der Einweisung und Registrierung eines Häftlings in das Lager wurde „Aufnahme“ genannt. In der → Politischen Abteilung gab es ein Referat Aufnahme, in dem die Häftlingsakten geführt wurden.
“ geführt und meist in der „SaunaSauna
Im Vernichtungslager Birkenau wurde Dezember 1943 ein großes Gebäude in Betrieb genommen, in dem sich unter anderem Duschräume und Vorrichtungen zur Desinfektion von Kleidung befanden. Die neu ins Lager eingelieferten Häftlinge, die sogenannten → Zugänge, wurden nach der Selektion in die „Sauna“ geführt. Dort mussten sie sich entkleiden, wurden geschoren, geduscht, desinfiziert, tätowiert und erhielten Häftlingskleidung.
“ den menschenunwürdigen Maßnahmen wie Haarescheren, TätowierungTätowierung
In Auschwitz wurden seit 1942 zunächst alle jüdischen Häftlinge tätowiert. In der Regel wurde dem Häftling die Nummer, die er bei der „Aufnahme“ in das Lager erhielt, in den linken Unterarm tätowiert. Seit Anfang 1943 wurden auch Häftlinge, die anderen Häftlingskategorien angehörten, durch die eintätowierte Häftlingsnummer gekennzeichnet. Von der Tätowierung ausgenommen waren reichs- und volksdeutsche Häftlinge sowie sogenannte Erziehungs- und Polizeihäftlinge.
und Desinfektion unterworfen. Ihrer Habseligkeiten und ihrer Kleidung beraubt, wurden die Frauen in Häftlingskleider gesteckt, mit Holzschuhen versehen und in die überfüllten Häftlingsbaracken gebracht.